Freitag, 17. August 2012

Bernard Lewis




Wer sich ernsthaft mit den Geschehnissen im Mittleren und Nahen Osten befasst, kommt nicht darum herum, sich durch die Medien und vor allem Bücher grundlegend zu informieren. Es gibt vor allem Journalisten, unter ihnen bekannte, die sich geistreich Mittelostexperten nennen, sich vor allem unter ihren Kollegen informieren, am Fernsehen hängen oder gerne einander abschreiben. Ich halte mich, obwohl ich natürlich Nachrichten in vielen Medien verfolge, mehr an grundlegende Informationen, die, wie ich überzeugt bin, vor allem aus Büchern, persönlichen Kontakten und Gesprächen mit den Objekten unserer Themen, Israels Minderheiten, zu lernen sind. Meine eigenen Erfahrungen mit nationalistischen, im Gegensatz zu patriotischen Juden, haben mich überzeugt, dass diese genau so wie unsere arabischen Gegner, jeden Kontakt zum jeweiligen "Gegner" vermeiden, um ihre eigenen Vorurteile nicht zu gefährden. Meine inzwischen ansehnlich gewachsene Bücherei zum Thema, enthält zwar auch unseriöses, da ich aus tiefenpsychologischen Gründen unfähig bin Bücher wegzuwerfen, manchmal verschenke ich sie eben. 



Eine meiner Hauptquellen ist Bernard Lewis, emeritierter Professor der Universität Princeton. Er gilt als der grosse alte Mann unter den Orientalisten. Obwohl er a) eine Menge vorderasiatischer Sprachen beherrscht und b) schon 96 Jahre zählt, kann man ihn überhaupt nicht als klassischen Arabisten bezeichnen, im Gegensatz beispielsweise zu „Experten“ wie Scholl-Latour oder Arnold Hottinger, die trotz ihrem theoretischen Wissen, ihre Seele dem vor 80 bis 100 Jahren modern gewesenen romantischen Arabismus verkauft haben und noch immer vom Kaffeetrinken in einem Beduinenzelt in der Wüste träumen. So wie es der englische Oberst T.E. Lawrence, dem berühmten Wüstenoffizier im Kampf der Araber der arabischen Halbinsel gegen das osmanische Imperium und Autor des Buches „Die sieben Säulen der Weisheit“, einer meiner prägenden Jugendlektüren, darin beschrieben hat. Oder wie auch Wüstenschlachten auf Pferden, im Filmklassiker „Lawrence von Arabien“ so dramatisch vermitteln. Nur eben die arabische Welt aus Lawrence Zeit hat sich verändert, die damalige Romantik ist verschwunden und hat einer arabischen Realität der Tyrannei, sozialer und wirtschaftlicher Rückständigkeit, ungehemmter Gewalttätigkeit und Blutdurst und einem muslimischen Religionsverständnis fundamentalistischen Hasses Platz gemacht. Einige Orientalisten der heutigen Zeit wollen das nicht erkennen oder machen dafür denn lange toten Kolonialismus verantwortlich, nie aber die arabische Welt selbst. Bernard Lewis macht sich darüber mit seiner Bemerkung  „We must be wary of uncritically adopting the views of Islam experts, even if they are professors at Princeton (Wir müssen vorsichtig beim Übernehmen der Ansichten von Islamexperten sein, sogar wenn diese Professoren in Princeton sind)". 



Bernard Lewis hat auch schon daneben gehauen. Lewis' bekanntester Faux-pas war sein Einsatz im Zusammenhang mit der Vernichtung von mehr als einer Million Armenier durch das osmanische Reich. 

Nobody is perfect!



Von ideologisch extrem linker Seite wird Bernard Lewis angeklagt, den „anti-muslimischen“ Kurs der konservativen USA-Regierungen von George W. Bush ausgelöst zu haben. Er habe neo-konservative Kräfte mit islamophobischer Munition versorgt. Lewis' Gegner machen ihn damit auch indirekt für 9/11 und ähnliche von Islamisten ausgelöste Grosskatastrophen mitverantwortlich, die übliche Sicht der Dinge aus trendigen „israelkritischen Kreisen“, die mit ihren Verschwörungstheorien jedem Massenmord, Frauenmord, Juden- und Christenmord und ähnlichem weisswaschen und stets das Opfer für sein Schicksal selbst verantwortlich machen – solange es nicht muslimischer Araber ist.



Lewis Freund, Fuad Ajami, auch Princeton Professor und unter anderem Autor des wunderschönen Buches „The dream palace of the Arabs“, schreibt über ihn:



“Islamic fundamentalism, which became the story of the world — he [Lewis] foresaw it before anyone [else]. He has an ability to see things, buck the trend, differ from his contemporaries and step out of the consensus. The 1990s were an era of globalization, when people talked about the differences in the world being erased by a common marketplace. There were two men—Bernard Lewis and Sam Huntington—who said, ‘it ain’t so.’”



Als sich die Welt, kaum klüger geworden, über den arabischen Frühling begeisterte, blieb Lewis cool. Wiederum behielt er Recht. Die grosse arabische Freiheit gibt es noch immer nicht. Was blieb ist Gewalt und Blutvergiessen. Die Islamisierung dieser arabischen Frühlingswelt schreitet voran und man darf sich heute beispielsweise zu recht fragen, ob die oberflächliche Demokratie in Ägypten wirkliche Demokratie darstellt und ob  diese Wahlen, die einen Islamisten zum Präsidenten machten, nicht die letzten Wahlen in diesem Land gewesen sind. Islamisten sind nicht von der Natur her Demokraten, Wahlen sind ausschliesslich dazu da jemandem zur Macht zu verhelfen, die dann mit allen Mitteln erhalten wird. Wirklich freie Wahlen in arabischen Ländern sind neu. Deren Resultate sind soweit ernüchternd – demokratische Parteien kamen nirgends an die Macht. Erfahrung mit freien Wahlen in arabischen Ländern, falls es wirklich solche gab, lassen den zwingenden Schluss zu, dass diese freien ägyptischen Wahlen, des Landes letzte freie Wahlen für lange Zeit gewesen sein könnten. 



Ich möchte hier drei Links anfügen, die Bernard Lewis in Gesprächen darstellen. Alle sind sie lesenwert und geben einen guten Einblick in seine Gedankenwelt. Diese Gedankenwelt führt zur Erkenntnis, hier einen Mittelost- und Islamfachmann kennen zu lernen, der nicht, wie so viele andere, aus sentimentalen, ideologisch-politischen oder gar religiösen Sentimenten und Vorurteilen sein reiches Wissen und seine Schlüsse vermittelt, sondern die von ihm beschriebene und beurteilte Welt so sieht, wie sie sich Geschichte und Alltag wirklich präsentiert. 

Interessante Links über Prof. Bernard Lewis:




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