Dienstag, 25. Januar 2011

Zurück aus Zürich


Wir waren bis vor wenige Tage fast vier Wochen in Zürich, vor allem als Babysitter. Enkel Matan (10), verbrachte die Festtage im Winterlager des Haschomer Hazairs, so waren wir diese Tage mit Juniorenkel Gil (5) und seinen Eltern allein. Unser längster Ausflug führte ins Sauriermuseum in Aatal im Zürcher Oberland, zusammen mit Gilgul, gerade fünf Jahre alt geworden. Er geht in den Kindergarten der Israelitischen Cultusgemeinde Zürichs, lernt dort unter anderem Hebräisch und Beten. Wir zwei, Gilgul und ich, fuhren auch zur Migros in Adliswil. Dort stand er auf dem Einkaufswagen und sang jüdische Gebete, die er mit einem schallenden „Amen“ abschloss. Als gehören kleine Buben, die hebräische Gebete von sich geben, zur normalen migroschen Einkaufatmosphäre. Ich war gerührt, auch wenn niemand lächelte oder gar sagte: „Nei au, wiä härzig“.

Noch bevor wir Israel Richtung Schweiz verliessen, hatte sich die politische Atmosphäre im Staat der Juden verbittert. Hass geht um. Seit seiner Gründung sieht sich Israel als Licht der Menschheit, als Staat der Juden, der gegen alles Menschenfeindliche wie Faschismus und Rassismus steht und damit in vielem tatsächlich ein Vorbild sein wollte und konnte. Damit ist es erst mal vorbei. Wir Juden, seit zweitausend Jahren Opfer von Rassismus, Fremdenhass, religiösen und anderen Vorurteilen müssten eigentlich besser als alle anderen wissen, was menschlicher Hass in diesen Proportionen bewirkt. Jüdischen Rassismus und Rechtsextremismus gibt es heute in der Form neuer Gesetzesvorschläge, in der inoffiziellen Behandlung israelische Minderheiten, im sozialen, mit einem Gesetzesentwurf, mit dem Kommunen berechtigt würden, Leuten, von denen sie finden, sie seien gerade dort, wo sie wohnen möchten, nicht integrierbar, die Niederlassung zu verweigern. Damit trifft man gerade jene arabischen Mitbürger (gegen die sich das Gesetz ja richtet), die wirklich alles tun wollen, um sich in Israel zu integrieren, statt auf Scheich Ra’ed Salah zu hören und sich zu verweigern. Oder den Gesetzesvorschlag, der alle Neubürger per Treueschwur zu staatlich verordnetem Patriotismus verpflichten will. Da man solche Gesetze nicht ausschliesslich gegen Araber erlassen kann, denn das sähe geradezu peinlich in ihrer rassistischen Absicht aus, sollen alle neue Staatsbürger diesen heiligen Eid schwören.

Noch vor unserer Abreise nach Zürich, las ich in der Zeitung „Haaretz“ eine Umfrage habe ergeben, dass 52% der israelischen Bürger rassistische Massnahmen dieser Art gutheissen, dass sie Araber hassen, weil sie Araber sind und nicht, weil sie judenfressende Jihadisten wären. Auch wenn der Spruch weitgehend stimmt, dass nicht alle Araber und Muslime Terroristen seien, aber alle Terroristen Araber und Muslime sind – aber pauschal ein Volk auf diese Weise zu verunglimpfen, muss gerade von uns Juden, die als Opfer damit seit Jahrhunderten zu Fachleuten geworden sind, vehement abgelehnt werden.

Israel, der einzige moderne, demokratische und erfolgreich funktionierende Staat im gesamten Mittleren Osten (nicht nur im Nahen Osten der Mittelmeerküste), muss gerade deshalb unterstützt werden. Nicht weil dieser Staat für Überlebende des Holocausts besteht – der politische Zionismus ist weit älter, die historischen Ansprüche sind so alt wie das jüdische Volk. Das Interesse der freien Welt muss in der Unterstützung dieses einzigartigen Landes, das, wie jedes demokratische Staatswesen, Fehler hat und Fehler macht, liegen. Umsomehr, als die gesamte freie Welt heute vom Jihadismus bedroht wird und oft genug auch schon attackiert worden ist. Nur, da wiederhole ich mich wieder mal, wollen viele Mitbürger eben dieser freien Welt nicht einsehen, dass jihadistische Angriffe auf sie das selbe Ziel haben wie Angriffe auf Israel: die Zerstörung der offenen Gesellschaft, der persönlichen Freiheiten, die Zerstörung des Christen- und Judentums, die von der finstersten Art des Islams abgelöst werden soll. Denn der offene Islam der Blütezeit arabischer Macht, meldet sich nicht – vielleicht gibt es ihn nicht mehr oder seine Vertreter werden vom heute am Ruder zu sein scheinenden Steinzeitislam eingeschüchtert. Diese Tatsache ist nicht zu übersehen: Die arabische Welt hat Angst. Angst führt zu Hass und der mehrheitlich ungebildeten Massen werden von ihren Regierungen und deren Medien zur eigenen Machterhaltung manipuliert. Als Resultat erleben wir den intensive Hass auf unsere westliche Zivilisation – auf die freie Welt als Ganzes und auf den „grossen“ (USA) und den „kleinen“ (Israel) Satan.

Bei jeder Rückkehr aus der Schweiz nach Israel geschieht das Selbe. Vielleicht ist es ein Kulturschock. aus der von einigen als arrogant empfundenen israelischen Sicht können die Mini- oder Pseudoprobleme der Schweiz im Vergleich zu den existenziellen Problemen Israels amüsieren oder ärgern. Meist entscheide ich mich fürs Erstere. Sogar wenn die Verbindung zwischen dem weltweiten islamistischen Terror und seiner Bedrohung westlicher Lebensart und dem gegen Israel gerichteten Terror grundsätzlich geleugnet oder bestenfalls übersehen wird. Auch die Schweiz und das gesamte Europa hat ernsthafte Zukunftsprobleme – doch aus kurzsichtigem wirtschaftlichen Opportunismus (schon einmal da gewesen) oder aus falschem Besserwissen, werden diese unter den Teppich gekehrt.

Fairerweise will ich hinzufügen, dass die heutigen Regierungen Israels ähnliches tun. Sie verkaufen die Zukunft des Landes an unsere eigenen jüdischen Reaktionäre, der Ultraorthodoxie, die, falls sie Lebensweise und religiöses Steinzeitgehabe nicht der Moderne anpasst, den jüdischen Staat einem schmerzvollen Ende zuführen wird. Heute, in ihrer explodierenden Fruchtbarkeit den jüdischen Staat in wenigen Jahrzehnten eine haredische Mehrheit bescherend, müsste die Staatsführung alles tun, diesem Bevölkerungsteil den Weg zu moderner Bildung, zu eigenem Beitrag für den Staat, der allen gehören soll, aber von ihnen ideologisch abgelehnt wird, zu ebnen. Warum das so ist, ist ein Thema für einen anderen Tagebucheintrag.

Keine Kommentare: