Dienstag, 1. September 2009

Fussballtherapie

Heute Abend hielt Meir Cohen eine Menge Bälle. Meir Cohen ist Torhüter der israelischen Fussballmannschaft „Bnei Sakhnin“ (Söhne von Sakhnin), der Stadt Sakhnin im westlichen Galiläa. Über Sakhnin's Fussballklub habe ich vor Jahren schon ein oder zwei Mal geschrieben und noch immer zieht mich jedes seiner Spiele an den Fernseher. Heute Abend spielten sie gegen ihren Erzgegner „Beitar Jerusalem“, einem Klub, der schon einige Male Landesmeister geworden ist, aber seit über einem Jahr dahinserbelt, seit sein Gönner, der russische Oligarch und (wie es scheint) Wirtschaftsflüchtling Gaydamak aus Israel fliehen musste. Der Jerusalemer Klub trägt auf seinen gelben Leibchen die Aufschrift „Genug der Gewalt“ (Dai Le’Alimuth), was gar nicht scherzhaft gemeint ist, denn seine Fans sind primitive Rassisten, die mindestens schon zweimal verhinderten, dass der Klub arabische Spieler aufnehmen durfte und dass er wegen dem Benehmen dieser Fans vor leeren Tribünen spielen musste. Doch zurück zu „Bnei Sakhnin“. Zwar ist diese Mannschaft der Stolz seiner arabischen Stadt, doch spielen bei ihr nicht nur arabische Fussballer (Christen und Muslime), sondern auch Juden wie Meir Cohen, der einen sehr unarabischen Namen trägt. Der Trainer ist Jude, denn in diesem Beruf sind, wie man mir sagte, in Israel noch keine Araber zu finden. Als begeisterter Lehnstuhl-Fussballer und Fernsehsportler - ich war zwar auch bei Spielen von Makkabi Haifa an der frischen Luft ihres Stadions „Kiriat Elieser“ - weiss ich auch, dass es eine stolze Anzahl sehr guter arabischer Spieler auch in anderen israelischen Fussballklub der Topliga gibt, die zudem in die israelische Nationalmannschaft aufgeboten werden. Übrigens, das Spiel endete 0:0, ein Erfolg für „Bnei Sakhnin“ und ein Misserfolg für „Beitar Jerusalem“.

Ich habe eine Schwäche für „Bnei Sakhnin“. Die Mannschaft und ihre Fans sind auch Fans der „Makkabi Haifa“ Mannschaft, die in der letzten Saison Landesmeister wurde und deren Fan ich bin. Das ist eine Gemeinsamkeit, die jedoch nicht darüber hinweg täuschen darf, dass die Stadt Sakhnin, obwohl sie im Vergleich zu Umm El-Fahm, einer Islamistenstadt, in der ich mich recht oft aufhalte, eine sekuläre Stadt ist, jedes Jahr mindestens einmal unangenehm auffällt. Das ist am Tag der „Nakba“, dem von israelischen Arabern als Tag der *Katastrophe* gefeierten Gedenktag der selbst verursachten Flucht eines Teiles der arabischen Bevölkerung Palästinas, anlässlich der Gründung des Staates Israel in 1948. Dann fliegen die Steine in Sakhnin, mehr als in den meisten anderen arabischen Orten, es werden aufputschende Reden gehalten und Juden meiden an diesem Tag die Stadt. Trotzdem lebt dort meines Wissens ein junger Jude, der nach seinem Militärdienst für ein Jahr in Galiläa leben wollte und sich für Sakhnin entschied. Wie zu lesen ist, wurde er äusserst freundlich aufgenommen – ganz im Gegensatz zu arabischen Israelis, die sich in einem jüdischen Dorf niederlassen wollen und stets abgewiesen werden, ein unschönes, rassistisches und völlig undemokratisches Phänomen, das besonders in Galiläa schon verschiedentlich für beschämendes Aufsehen sorgte. Ob Teddy Fassberg dort noch lebt, weiss ich nicht, doch seine Artikel in der englischsprachigen Presse über sein Leben in Sakhnin sind sehr lesenswert und stellen einen Menschen vor, der nicht hassen kann und sein Leben gerade deshalb geniesst. Auch er ist zum Fussballfan geworden und schreibt, wie auch ich, wie Fussball zur treibenden Kraft der Stadt Sakhnin geworden ist – trotz Demos an den Nakbatagen.

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