Dienstag, 2. Juni 2009

Argumente

2.6.2009

Auf meinen letzten Tagebucheintrag (29.5.2009) hin, sandte mir Ulrich W. Sahm am 21. Mai 2009 für die N-TV geschriebenen Kommentar zum selben Thema betitelt Die „Zweistaatenlösung“. Mit Argumenten, die in der täglichen Presse kaum zu finden sind, stellt er die Glaubwürdigkeit palästinensischer Absichten dar, ganz im Hinblick auf die Zweistaatenlösung. Ich empfehle, diesen Artikel (siehe Link) zu lesen und möchte hier nur dessen letzten Absatz zitieren, der, im Gegensatz zu den meisten europäischen Pressevertretern, von Ulrichs wirklichem und nicht theoretischen Wissen, sowie beträchtlicher Zivilcourage zeugt.

„Während die Hamas grundsätzlich einen nicht-muslimischen Staat in arabischem Territorium ablehnt, die Autonomiebehörde viele Milliarden Euros versickern ließ, anstatt eine Zivilgesellschaft aufzubauen, ohne die kein Staat funktionieren kann, sehnen sich alte Palästinenser nach der jordanischen Herrschaft zurück. Christen in Bethlehem hoffen insgeheim auf eine Rückkehr der israelischen Besatzung. Ausgerechnet bei den Palästinensern findet man heute kaum mehr einen Verfechter der Zwei-Staaten-Lösung, obgleich jene, die dafür eintreten, es nur mit den Palästinensern gut meinen, nicht aber mit den Israelis.“

Judith Wipfler sandte mir den Text einer Beurteilung der Ombudsstelle DRS zu einer Klage über die Sendung „Susan Nathan – Portrait einer Unerschrockenen“. Ich hörte mir die Sendung an – der Ombudsmann Achille Casanova hat recht. Seine Abweisung der Klage ist begründet und die Überempfindlichkeit zahlreicher Israelis, Zionisten und anderer Juden einmal mehr demonstriert. Mit den Thesen und Empfindlichkeiten, wie sie im Interview zu hören sind, habe ich absolut nichts am Hut, Susan Nathan hat es den Ärmel hineingenommen, bei ihr sind die Klagen unserer Araber auf fruchtbaren Boden geraten, mit der Realität hat es nichts mehr zu tun. Die Frau tut mir leid, auch wenn sie mit ihren Behauptungen, die nicht stimmen oder aus jeglichem Zusammenhang gerissen sind, das israelkritisches Feuer entfacht. Ich nehme für mich in Anspruch, wirkliche arabische Freunde und Bekannte zu haben – nicht die Kellner in arabischen Restaurants, wie von Nathan erwähnt, sondern Künstler, Ärzte, Kadis, Geschäftsleute, Bürgermeister, Fremdenführer, sogar einen ehemaligen Minister Israels und ein paar Islamisten die sich mir gegenüber stets höflich und nett benehmen, ich lasse mir aber meinen Ärmel nicht einnehmen. Es stimmt, dass viele jüdische Israelis Angst haben und es auch aussprechen, dorthin zu gehen wo ich gehe, doch wenn man das Gespräch sucht, nicht um seine eigenen ideologischen Komplexe und Vorurteile bestätigt zu sehen, sondern um offene Gespräche zu führen, dann wird man respektiert.

Hier die Schlüsselsätze der ombudsmännischen Beurteilung zur Sendung:

„In ihrer Beurteilung hat die Ombudsstelle die breit anerkannte Auffassung geteilt, wonach sich aus dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs Kriterien ableiten lassen, die eine Trennlinie zwischen Antisemitismus und Kritik an Israel markieren. Demnach gilt jene Kritik an Israel als antisemitisch, die Israel das Existenzrecht und das Recht auf Selbstverteidigung aberkennt, historische Vergleiche der israelischen Palästinenserpolitik mit der Judenverfolgung im Dritten Reich zieht, Israels Politik mit einem doppelten Standard beurteilt, antisemitische Stereotype auf den Staat Israel oder diese Kritik auf Juden generell überträgt, und Juden pauschal für die Geschehnisse in Nahost verantwortlich macht.“

Ich denke, dass diese Definition für den gesamten Diskurs in den Medien und in der Öffentlichkeit angewendet werden könnte. Ebenso für Leserbriefe, ganz besonders in Foren und Kommentaren, Fundgruben antisemitischer Debilitäten. Wie die NZZ es praktiziert, dürften keine anonymen Briefe veröffentlicht werden und veröffentlichter Judenhass, ob von Privaten oder den Medien selbst, müsste einklagbar sein. Freie Meinungsäusserung darf nicht angetastet werden, sonst wäre unsere freie Gesellschaft bald nicht mehr frei, aber jeder der frei ist zu Hass aufzurufen, muss für seine Äusserungen Verantwortung übernehmen – vielleicht bringt das Antisemiten zum Nachdenken, einer Eigenschaft von der sie eigentlich grundsätzlich frei sind.

Zum Abschluss eine versprochene Folge Grundwissens:

3. Jerusalem

Nach der Vertreibung der Juden durch Rom im Jahre 70 unserer Zeitrechnung, wurde Jerusalem zum Zentrum jüdischer Sehnsüchte. Die Stadt ist das geographische Zentrum jüdischer Geschichte und Mythen. Der Ausdruck „Nächstes Jahr in Jerusalem“ ist seither Teil der jüdischen Liturgie, wurde jedoch seit dem Entstehen des politischen Zionismus zur Realisierung des jüdischen Traums der Rückkehr in die Heimat aktiviert. Im Gegensatz zum Judentum gilt Jerusalem im Islam erst als drittwichtigste heilige Stadt der Religion. Im Koran ist sie nirgends erwähnt. Es ist offensichtlich, dass der islamische Anspruch auf Jerusalem neueren Datums ist und ausschliesslich als politischer Widerspruch zum zweitausend Jahre alten historischen Anspruch der Juden ins Leben gerufen wurde. Vor der Politisierung des arabischen Anspruchs auf Jerusalem und dessen islamische Heiligkeit, wurde diese Stadt im Islam kaum erwähnt, weder in den Medien noch in den Aussagen der muslimischen Welt. In der Zeit zwischen 1948 und 1967, als Ostjerusalem unter jordanischer Besetzung war, wurde der jüdische Friedhof auf dem Ölberg geschändet, Grabsteine zum Bau von Pissoirs verwendet und so arabischer (oder eher islamistischer) Judenhass, sogar auf tote Juden, der desinteressierten Welt demonstriert. Erst seit dem Sechstagekrieg in 1967 sind sämtliche Heiligen Stätten Jerusalems für jedermann frei zu besuchen.

Fortsetzung folgt.

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