Sonntag, 18. Januar 2009

Verpönte Menschlichkeit

18.1.2009

Während einer Nachrichtensendung auf Kanal 10, rief ein Nachrichtensprecher Dr. Ezzeldeen Abu al-Aish in Gaza an, um Neuigkeiten zu hören. Dr. Abu al-Aish berichtet über diesen Sender seit längerer Zeit aus Gaza und ist vielen Israelis bekannt. Der Arzt, ein Gynäkologe, arbeitete früher in den israelischen Spitälern Soroka in Beer Sheva und Sheba (Tel Hashomer) bei Tel Aviv. Er arbeitet heute im Shifa Spital in Gaza. Dr. Abu al-Aish spricht perfekt Hebräisch (das tun die meisten arabischen Ärzte, oft besser als viele israelische Juden), ist ein Friedensaktivist und für verschiedene israelisch-arabische medizinische Projekte tätig.

Durch eine israelische Granate in seine Wohnung verlor er Minuten vor dem Anruf drei seiner Töchter, Bisan (22), Mayar (15) und Aya (14) sowie eine Nichte Nour Abu-Aish (14), die in seiner Wohnung im Flüchtlingslanger Al-Jabaliya weilte. Zwei Töchter wurden verletzt. Der Nachrichtensprecher versuchte auf der Stelle die Armee zu kontaktieren, um der Familie zu helfen (Dr. Abu al-Aish's Frau war vor wenigen Monaten an Krebs gestorben und hinterliess ihren Mann mit acht Kindern).

Wie sehr vielen Israelis, ging mir das Gespräch mit dem extrem aufgeregten (ein besseres Wort fällt mir nicht ein) Arzt tief unter die Haut. Dr. Abu al-Aish rief Gott an, weinte und brachte es dennoch fertig, konkrete Angaben über die Lage seiner Wohnung zu geben. Die Armee reagierte schnell. Er und seine zwei verwundeten Töchter wurden von einer Ambulanz abgeholt und in den Tel Hashomer in Tel Aviv Spital gebracht. Der Nachrichtensprecher, während dem Gespräch um seine Fassung kämpfend, verliess nach dem Gespräch seinen Sitz, er war offensichtlich nicht mehr in der Lage, die Sendung weiter zu begleiten.

Gemäss israelischer Armee soll ein Scharfschütze aus dem Wohnhaus des Arztes auf israelische Soldaten geschossen haben, Dr. al-Aish hingegen sagt, es sei niemand, schon gar nicht ein Hamasterrorist, dort gewesen. Das wird nun abgeklärt.

Dr. Abu al-Aish ist ein Mann mit einem grossen Herzen. Sogar in den Momenten grösster Trauer und Erregung sagte er, dass falls die Armee wirklich einem Irrtum erlegen sei, könne er ihr verzeihen. Jeder Mensch könne sich irren.


Im Spital wurde eine Pressekonferenz durchgeführt, in der er nicht nur wie die Geier von der Presse belagert wurde (siehe Bild), er wurde auch von Soldatenmüttern angegriffen – ein Misston der mir zu schaffen macht. Zwar ist es leicht, diese Frauen zu verstehen, doch sie benahmen sich auf eine Art, die dem Verhalten des Doktors nicht entspricht. Als würden sie, die von Dr. al-Aish ausgestrahlte Menschlichkeit trotz tiefster Trauer, nicht wahrnehmen oder gar ablehnen. Eine Art verpönte Menschlichkeit, als hätten sie Trauer exklusiv für sich gepachtet.

Soweit zu diesem traurigen Vorfall, der nur einer von vielen ist, doch wegen der Bekanntheit des Betroffenen, weite Wellen gezogen hat.

Heute Abend in den Nachrichten durften wir Premierminister Olmert und seine Gästen Merkel, Sarcosy, Brown, Berlusconi (Berlusconi schien am Prominententisch zu schlafen und musste geweckt werden) und noch Zwei, deren Namen mir entfallen ist, an einer Pressekonferenz zuhören, bevor sie sich zum feinen Diner begaben. Diese Staatsfrauen- und Männer wollen Israel helfen im Gazastreifen den Frieden zu waren – sie hätten sagen sollen die Ruhe zu wahren, denn wer glaubt schon an Frieden in unserer Zeit - und die Wiederaufrüstung der Hamas zu verhindern. Tönt schön, aber wie sie es tun werden, ist mir völlig unklar und sie sagten es auch nicht. Immerhin, ich hatte Gelegenheit Französisch, Deutsch und schönes, wirkliches Englisch zu hören. Danach schalteten wir den Fernseher ab.

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